Die neue strategie - Balance (3/3)

Früher waren nach einem Gespräch oft Beide, mein Gesprächspartner und ich, innerlich frustriert oder zumindest unzufrieden. Entweder habe ich zu wenig oder zu viel geredet. Meine Mitmenschen fühlten sich nicht verstanden oder bevormundet durch meine gut gemeinten Ratschläge.
Ich habe alles von meinem Standpunkt aus betrachtet, mithilfe meiner Erfahrungen beurteilt und das führte tatsächlich dazu, dass ich die Menschen oft nicht verstanden habe oder sich meine Sicht auf die Menschen verändert hat. Und das selten zum Besseren. Ich habe Menschen, die ich zuvor geachtet habe, hinterfragt und manchmal auch verurteilt. Da ich kein Schönwetter – Mensch bin und mich ungern verstelle, fing ich an die Menschen zu meiden, die ich für weniger gut oder unbelehrbar hielt. Ich war der Meinung, dass sich alles über Kommunikation lösen lässt, und wer nicht diesen Standpunkt teilt, den möchte ich in meinem Leben nicht haben. Ich dachte, wenn ich nur gute und intelligente Menschen um mich herum habe, wird mein gesamtes Leben einfacher und angenehmer sein.
Welch ein Irrtum!
Die Folge meiner Entscheidung war, dass ich in meinem Alltag um so heftiger mit Menschen konfrontiert wurde, die sich meiner Meinung nach völlig daneben benommen haben, cholerisch waren oder überheblich und besserwisserisch. Ich war innerlich am Verzweifeln. Ich dachte wie man sich bettet, so liegt man! Wenn ich einen ausgewählten Freundeskreis habe, dann vermeide ich doch die unangenehmen Menschen! Warum funktioniert das denn nicht bei mir? Warum erlebe ich immer öfter Situationen, die selbst wenn ich nicht direkt beteiligt bin, mich dermaßen auf die Palme bringen?
Ich fing an unangenehme Situationen zu meiden. Ich habe meine Freunde und Bekannte aussortiert, also brauchte ich den Ärger von Fremden in meinem Leben erst recht nicht! Denn selbst wenn ich keine Beteiligte war, regte ich mich doch über andere Menschen auf. Doch dann wurde alles noch schlimmer. Je mehr ich versuchte mich aus den Angelegenheiten anderer Menschen herauszuhalten, umso öfter wurde ich eine Betroffene. Menschen beim Einkaufen rempelten mich an und suchten Streit mit mir. Ich wurde in Streitigkeiten hineingezogen, ohne dass ich es wollte. Was hatten sie mit mir zu tun?
Was hatte DAS GANZE mit MIR zu tun? Wie konnte alles so schief laufen?
Dann schauen wir nochmal:
- Immer-Besserwisser sind unbeliebt
- Unsoziale Schweiger sind auch nicht beliebt
- Vermeider können den Lehren des Lebens (bei allen Bemühungen) doch nicht aus dem Weg gehen
Ergo: wäre es vielleicht am besten nicht krampfhaft „Etwas“ sein zu wollen, denn augenscheinlich ist es nicht hilfreich. Weder für mich, noch für die anderen. Meine neue Strategie hieß zurücklehnen und alles auf sich zukommen lassen…
Ich habe es gar nicht richtig wahrgenommen, jedoch als ich anfing mich mit mir selbst zu beschäftigen, mein Verhalten zu beobachten und dabei auf die Reaktionen der Menschen zu achten, lernte ich unbewusst mich auf sie einzulassen.
Immer noch von dem Wunsch beseelt, alles richtig zu machen, fing ich an Fragen zu stellen, wenn ich etwas nicht eindeutig verstanden habe. Fragen zu stellen zeigt von Interesse und dabei ist es nicht zu viel gesagt, dachte ich. Doch meine Gesprächspartner dauernd zu unterbrechen schien auch keine so gute Idee. Manche hatten das Gefühl, ich würde sie nicht ausreden lassen und damit unter Druck setzen. Na dann, nicht unterbrechen. Erst Fragen stellen, wenn sie fertig geredet haben. Und falls sie irgendwelche Fragen an mich haben, dann kurz und präzise antworten…
Einfach hinhören. Beobachten. Fragen stellen. Nur antworten, wenn ich gefragt werde. Ist es so einfach?
Plötzlich war es das.
Wenn jemand es einmal geschafft hat, diese große Hürde zu nehmen, dann wird es erst richtig interessant!
Meine Unterhaltungen verlaufen heute ganz anders als früher.
Mittlerweile kann ich meine Gefühle von denen von anderen Menschen auf mich projizierte Gefühle unterscheiden. Ich habe gelernt mich in Menschen zu versetzen und Mitgefühl anstatt Mitleid zu empfinden. Dadurch, dass ich beim Hinhören auch auf die Wortwahl, Mimik und Körpersprache der anderen achte, habe ich ein Gespür dafür entwickelt, welche Fragen ich stellen muss. Die Menschen sind nach unseren Gesprächen ausgeglichener, fühlen sich ernst genommen und unterstützt. Und mir geht es dabei auch gut, denn ich kann den Menschen helfen. Mit Hinhören, Nachfragen und manchmal auch mit Antworten.
In der Balance.

Cynthia Chyba
Authorin
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