Jeder hat etwas zu sagen. Auch ich. (1/3)

Jeder hat etwas zu sagen. Es muss aber auch jemand da sein, der zuhört. So wird jeder Schüler und Lehrer gleichzeitig.


Große Worte, nicht wahr? In unzähligen Büchern gedruckt, oft ausgesprochen und doch  machen wir die Erfahrung im täglichen Leben, dass es schwer umsetzbar ist. Vor allem der Teil mit dem Zuhören. Oft haben wir das Gefühl, dass Menschen sich über Sachen aufregen,  die für uns völlig belanglos sind, manche kommen einfach nicht auf den Punkt, obwohl wir  nachhaken und dabei gar keine Zeit oder Nerven für Nebensächlichkeiten haben. Manche schweifen dauernd ab und wir verlieren den roten Faden, so dass wir zum Schluss gar nicht mehr wissen, was unser Mitmensch eigentlich von uns will. Manchmal meinen wir schon nach den ersten Worten zu wissen, was der andere uns sagen möchte und wir reißen das Gespräch an uns und legen dem anderen Wörter in den Mund um Ausschweifungen vorwegzunehmen. Nach einem Gespräch denken wir oft: „Das hätte aber viel schneller und einfacher gehen können!“ Wir sind oft ungeduldig, auch wenn uns das nicht bewusst wird.


Fakt ist, dass wir alle ein großes Mitteilungsbedürfnis haben. Doch so lange jemand anders redet, können wir das nicht tun.


Wir wollen aus unterschiedlichen Gründen kommunizieren. Mal wollen wir einfach etwas erzählen um andere aufzuheitern, mal brauchen wir Mitgefühl in einer schwierigen Situation. Manchmal ist es nur die Weitergabe von Informationen. Meistens aber wollen wir helfen und sagen anderen, was sie tun sollten. Und wie sie es tun sollten. Dazu fühlen wir uns ganz besonders in Situationen berufen, in denen sich jemand mit einem Problem an uns wendet.


Jeder macht alles nach bestem Wissen und Gewissen. Das lässt die Menschen denken, dass sie „es“ tatsächlich besser wissen. Manche Menschen glauben daran, dass die Stimme erhoben werden muss, um für etwas zu kämpfen. Andere sind der Überzeugung, dass auch Gewalt berechtigt ist, um etwas zu verteidigen. Es gibt auch wiederum Menschen, die der Auffassung sind, dass sich alles friedlich lösen lässt. Jeder hat einen Standpunkt, der auf Erfahrungen basiert. Und dabei ist sich jeder sicher, im Recht zu sein.


Wenn alle Menschen alles am besten wüssten, dann dürfte es keine Probleme mehr geben. Doch da dies augenscheinlich nicht der Fall ist, stellt sich automatisch eine Frage: Wissen manche Menschen besser was „am besten“ ist als andere? Und wenn ja, wer?


Ist es Dir schon mal passiert, dass ein Freund oder ein Familienmitglied sein Herz bei Dir ausgeschüttet, über schwierige Umstände in seinem Leben erzählt hat und Du schon bei den ersten Sätzen wusstest, was der Grund dafür war, was derjenige falsch gemacht hat und was Du besser gemacht hättest, damit es gar nicht zu dieser Situation kommt?


Du fängst an Dich in Gedanken mit der Situation des anderen auseinanderzusetzen, nach allen möglichen Ursachen zu suchen, Dich zu fragen, was der andere falsch gemacht hat, wie Du selbst reagiert, was Du anders, besser gemacht hättest und bist Dir sicher, mit dem eigenen Verhalten wärst Du nicht in die Bredouille gekommen. Plötzlich weißt Du die Lösung für das Problem des anderen, lehnst Dich zufrieden zurück und wartest nur auf den Moment, in dem Du diese Lösung zum Besten geben kannst. Du formulierst im Geiste schon genau die Sätze, suchst die richtigen Wörter, um nicht besserwisserisch oder verletzend zu klingen, aber um dennoch klar zu machen, wo die Fehler des anderen lagen und wie er oder sie das Problem lösen kann. Du formulierst noch ein paar gute Ratschläge, die zukünftig helfen sollen, vielleicht erzählst Du auch ein oder zwei Beispiele aus deinem eigenen Leben, die Du gut gemeistert hast, um dem ganzen Nachdruck zu verleihen. Und all das, während der andere noch redet. Du hörst gar nicht mehr genau zu, achtest und wartest nur noch auf die Atempause, in der Du eingreifen und das Wort übernehmen kannst oder auf ein Schlagwort, bei dem Du einhaken kannst um loszuwerden, was Du zu sagen hast. Wobei wir wieder beim eigenen Mitteilungsbedürfnis währen…

Mir ist es schon passiert.


Dir kommt es auch bekannt vor? Du musst Dich deswegen nicht schlecht fühlen. Das passiert dauernd jedem, denn so sind wir Menschen nun mal. Unsere Welt dreht sich um uns, wir sind die Hauptdarsteller unseres eigenen Lebens und somit die wichtigste Person für uns selbst. Wir fühlen uns geschmeichelt, wenn andere sich an uns wenden. Sie bestätigen uns damit, dass wir etwas besonderes sind, vertrauenswürdig und dass Wert auf unsere Meinung gelegt wird. Und das ist auch gut so, denn jeder hat etwas zu sagen.


Die großen Fragen sind nur: Was haben wir zu sagen? Und will das denn auch jeder hören?


Manche Menschen möchten eine Lösung hören, aber nicht die Gründe aus denen, anderer Meinung nach, das Problem entstanden ist. Denn keiner wird gerne damit konfrontiert, dass er oder sie sichtlich etwas falsch gemacht hat. Wie schon oben erwähnt, jeder handelt in jedem Moment nach bestem Wissen und Gewissen. Und so ist auch jeder überzeugt in der besagten Situation in der einzig möglichen richtigen Art gehandelt zu haben.


Andere möchten einfach nur erzählen. Und oft gar nichts hören.

Wiederum andere möchten die Lösung selber finden, indem sie reden. Und dabei auch nichts hören.


Viele Menschen sind mit Empathie und Einfühlungsvermögen gesegnet. Doch trotz dieser Eigenschaften ist es nun mal eine Tatsache, dass wir zuerst immer von uns selbst ausgehen. Wenn wir zu den Menschen gehören, die gerne eine fertige Lösung hätten, dann präsentieren wir diese auch gerne den anderen. Sind wir auf der Suche nach der Möglichkeit etwas einfach loszuwerden oder möchten Auswege selber durch das Reden finden, dann schweigen wir oft wenn sich andere an uns wenden. Weil wir es selber gerne so hätten.


Doch tun wir unseren Mitmenschen damit immer gleich einen Gefallen?

Cynthia Chyba

Authorin

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